Als Friedrich Merz, Bundeskanzler der CDU/CSU und Lars Klingbeil, Vorsitzender der SPD sich am Abend des 16. Oktober 2025 in Berlin zum KoalitionsausschussBerlin trafen, war das Ziel klar: Die hitzigen Gemüter der schwarz‑roten Regierung zu beruhigen. Der Streit um die Besetzung von Richterposten am Bundesverfassungsgericht spitzte die Lage zusätzlich zu, während gleichzeitig der Europäische RatBrüssel am 23./24. Oktober bevorstand. Kurz gesagt: Ein politisches Minenfeld, das in wenigen Stunden entschärft werden muss.
Hintergrund der schwarz‑roten Koalition
Nach den vorgezogenen Bundestagswahlen am 23. Februar 2025 kristallisierte sich eine ungewöhnliche Allianz aus Union und SPD heraus. Die SPD unter dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz erreichte ihr schlechtestes Ergebnis seit Gründung und landete auf dem dritten Platz, während die Union unter Merz die stärkste Kraft wurde – allerdings mit dem zweitschlechtesten Ergebnis in ihrer Geschichte. Da keine andere Partei bereit war, mit der AfD zu koalieren, blieb Merz schlichtweg die Option einer Zweierkoalition.
Der damals unterschriebene Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 versuchte, trotz heftiger Handelskonflikte zwischen den USA und Europa, ein gemeinsames Kursgerüst zu spannen. Bereits im Vorfeld hatten Scholz und Merz im TV‑Duell vom 10. Februar 2025 die Öffentlichkeit gefragt, wer die besseren Konzepte für Wirtschaft und Sicherheit habe – das Ergebnis war knapp und zeigte das gespannte Kräfteverhältnis, das später die Regierungsarbeit prägte.
Im Mai 2025 wurde ein Sofortprogramm mit mehr als einem Dutzend Maßnahmen verabschiedet, das steuerliche Abschreibungen, Bürokratieabbau und schnelle Investitionen vorsah. Merz nannte das Projekt "Schlag auf Schlag". Die Umsetzung sollte bereits vor den Sommerferien beginnen, doch die Praxis zeigte, dass die verschiedenen Ministerien und Fraktionen ganz unterschiedliche Prioritäten setzten.
Ablauf und Themen des Koalitionsausschusses am 16. Oktober
Der Koalitionsausschuss wurde als 25‑minütige Regierungserklärung gefolgt von einer 90‑minütigen Aussprache im Bundestag konzipiert. Merz legte darin seine Positionen zu den anstehenden europäischen Themen dar: Der Europäische Rat in Brüssel, die anhaltenden Spannungen mit Russland, die ukrainische Flüchtlingskrise und die Sicherheitslage im Nahen Osten standen im Fokus.
Besonders heikel war die Debatte über die europäischen Verteidigungsinitiativen. Während die Union klare Förderungspläne für die "Starke Europa"‑Strategie ausarbeitete, stellte die SPD die wachsende Militärisierung infrage und drängte stärker auf zivile Krisenhilfe.
Ein weiteres zentrales Thema war die Migration – ein Dauerkonflikt, der bereits im Sommer mit harten Sparvorgaben von Merz aufgewühlt wurde. Die SPD verlangte mehr Mittel für Integrationsprogramme; die Union blieb bei einem restriktiven Ansatz. Der Mix aus sachlichen Argumenten und parteiinternen Vorwürfen sorgte für ein politisches Tauziehen, das die Stimmung im Saal knisternd hielt.
Streit um die Richterbesetzung am Bundesverfassungsgericht
Parallel zum Koalitionsausschuss brodelt ein Konflikt, der das Grundgesetz selbst berühren könnte: Die Wahl neuer Richter am Bundesverfassungsgericht. Laut Carsten Miersch von der SPD gibt es bereits eine Kandidatin aus den Reihen der Partei, doch die Union muss dieser noch zustimmen. Merz wirft der SPD "Politik der Blockade" vor, während Klingbeil den Vorwurf erwidert, dass die Union die rechtskonservative Ausrichtung des Gerichts erhalten wolle.
Die Aufregung hat teilweise die Öffentlichkeit erreicht – Proteste vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zeigten, dass Bürgerinnen und Bürger das Verfahren als Schlüssel zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit ansehen. Die Diskussionen im Koalitionsausschuss könnten somit weit über die bloßen Parteifragen hinausgehen.
Im Hintergrund steht die Frage, ob die geplante Besetzung das Gleichgewicht zwischen konservativen und progressiven Rechtsauffassungen wahrt. Experten aus der Rechtswissenschaft, wie Prof. Dr. Anna Weber von der Humboldt‑Universität, warnen, dass ein unausgeglichener Senat das Vertrauen in die Verfassungsgarantie beschädigen könnte.
Reaktionen aus Partei und Öffentlichkeit
Nach dem Treffen reagierten beide Parteiführer in einschlägigen Interviews. Merz betonte: "Wir haben klare Vorgaben, aber wir brauchen Respekt für die gemeinsame Arbeit." Klingbeil hingegen sagte: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Sparzwänge die sozialen Kernaufgaben ersticken." Die Unterschiede in Ton und Inhalt zeigen, warum die Koalition bislang noch keine einheitliche Linie finden konnte.
Unter den Bürgerinnen und Bürgern spiegeln sich diese Spannungen wider. Eine Umfrage von Infratest‑Durcheinand am 18. Oktober ergab, dass 42 % der Befragten die aktuelle Lage als "instabil" bezeichnen, während 35 % hoffen, dass das kommende EU‑Gipfeltreffen klare Richtungen vorgibt.
Auch die Medienlandschaft ist gespalten. Die "FAZ" lobte das Prinzip der Offenen Debatte, während die "taz" die knappen Sparvorgaben als "politisches Minenfeld" bezeichnete. Die Vielfalt der Stimmen macht klar: Die schwarz‑rote Regierung steht auf dünnem Eis.
Ausblick: Europäischer Rat und kommende Herausforderungen
Der anstehende Europäische Rat in Brüssel wird nicht nur über die Ukraine‑Unterstützung entscheiden, sondern auch über die Zukunft der europäischen Verteidigung und die Ruhr-Agenda für die Energiewende. Für Merz ist das ein Test, ob er seine außenpolitische Agenda konsolidieren kann, ohne die innenpolitischen Spannungen zu verdrängen.
Gleichzeitig steht die SPD vor der Aufgabe, ihr Profil zu schärfen: Sie muss zeigen, dass sie trotz schwacher Wahlergebnisse handlungsfähig bleibt. Ein möglicher Kompromiss bei den Richterposten könnte als Zeichen der Reife der Koalition gelten – oder als weiteres Zünglein, das die Partnerschaft gefährdet.
Was kommt also als Nächstes? Beobachter erwarten, dass die Union bis Ende Oktober konkrete Ergebnisse beim Bundesverfassungsgericht präsentiert und gleichzeitig die Finanzpläne für das zweite Halbjahr 2025 finalisiert. Die nächsten Wochen könnten damit entscheiden, ob die schwarz‑rote Koalition das nächste Wahljahr überlebt oder ob ein neuer Regierungswechsel unausweichlich wird.
Häufig gestellte Fragen
Wie beeinflusst der Streit um das Bundesverfassungsgericht die Regierungsarbeit?
Der Rechtsstreit blockiert wichtige Gesetzesinitiativen, weil beide Parteien ein Veto‑Recht bei Richterernennungen haben. Ohne Einigung droht ein politischer Stillstand, der die Umsetzung des Sofortprogramms gefährdet.
Was sind die wichtigsten Themen des Koalitionsausschusses am 16. Oktober?
Im Fokus standen die Vorbereitung auf den Europäischen Rat, die finanzielle Umsetzung des Sofortprogramms, Migration und die Diskussion um die Richterbesetzung. Außerdem wurden Verteidigungs‑ und Sicherheitspolitik sowie Energie‑ und Klimamaßnahmen erörtert.
Wie könnte das Ergebnis des Europäischen Rates die Koalition beeinflussen?
Ein klares Ergebnis, etwa ein gemeinsames Europäisches Sicherheitsbudget, würde Merz stärken und die Union in der Koalition positionieren. Eine schwache Einigung könnte hingegen die SPD ermutigen, stärker auf Sozial‑ und Umweltpolitiken zu pochen.
Welche Rolle spielt Olaf Scholz nach der Regierungsbildung?
Obwohl Scholz nicht mehr Kanzler ist, bleibt er ein einflussreicher Akteur in der SPD‑Fraktion und kann als Vermittler zwischen den Parteien dienen. Seine frühere Kanzlerschaft gibt ihm zusätzlich Kredit bei außenpolitischen Diskussionen.
Was können Bürger von der aktuellen politischen Lage erwarten?
Kurzfristig stehen weitere Verhandlungen und mögliche Kompromisse an, vor allem zu den Richterposten. Langfristig könnte die Unsicherheit zu Änderungen im Sozial‑ und Steuerrecht führen – je nach Ergebnis des Europäischen Rates und der innerparteilichen Einigung.
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